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Sammlung
Farbkreis Augusto Giacometti

Am Anfang stand eine Überraschung. Dann kamen Neugierde, Kreativität und viel Teamwork ins Spiel. Am Ende eines lehrreichen Abenteuers eröffnete im Aargauer Kunsthaus eine umfassende Ausstellung mit Werken von Augusto Giacometti.

Die Geschichte beginnt 2021 mit einer Anfrage aus dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA). Kunsthistoriker Michael Egli arbeitet an einem Werkverzeichnis zu Augusto Giacometti und interessiert sich für die Bestände des Bergeller Künstlers in der Sammlung der SKKG. Dank den umfangreichen Inventarisierungsarbeiten weiss die SKKG heute genau, welche Werke sich in der gut 100’000 Objekte umfassenden Sammlung befinden. 

Es folgt eine grosse Überraschung: Ein lange für verschollen gegoltenes Ensemble von Glasgemälden aus einer privaten Villa am Zürichsee taucht in der Liste auf, die ein wissenschaftlicher Sammlungsmitarbeiter zusammenstellt. Der Zyklus «Das Leben auf dem Lande» entstand 1920 und gilt als Giacomettis umfangreichstes Werk der Glasmalerei, das er für eine Privatperson realisiert hat. Bruno Stefanini hat die vierzig Glasgemälde 1998 gekauft. Die Fenster sind eine kleine Sensation, die man für den Werkkatalog von SIK-ISEA neu fotografieren liess.

Glasmalerei

Detailansichten der Glasgemälde aus dem Zyklus «Das Leben auf dem Lande» (1920) (©Philipp Hitz, 2021)

Glasmalerei
Glasmalerei

Die Anfrage von SIK-ISEA für den Werkkatalog hat eine weitere Kooperation hervorgebracht. Giacomettis «Farbkreis» (um 1907) aus der Sammlung der SKKG wurde intensiv untersucht. Silja Meyer, Konservatorin-Restauratorin für Gemälde und Skulpturen bei SIK-ISEA, hat im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Hochschule der Künste Bern (HKB) ausgehend vom «Farbkreis» Giacomettis Schaffensprozess erforscht. So konnte sie anhand einer Quellenrecherche für ihren Beitrag im Werkkatalog die bis anhin rätselhaften Tabellen mit Zahlen in den Notizbüchern des Künstlers entschlüsseln: Sie stehen in direktem Zusammenhang mit dem «Farbkreis» und Giacomettis abstrakten Gemälden und Zeichnungen. Karoline Beltinger, Abteilungsleiterin Kunsttechnologie bei SIK-ISEA, untersuchte zusammen mit ihrem Team den Alterungsprozess bei Giacomettis Gemälden und die damit einhergehenden Veränderungen der Farben. Sie leistete damit einen wichtigen Beitrag zur konservierungswissenschaftlichen Forschung, die für die Arbeit von Restaurator:innen und Kunsthistoriker:innen – auch im Team der SKKG – von grossem Interesse sind.

Die spannenden Resultate sind in zwei Videos zusammengefasst, die in der Ausstellung zu Augusto Giacometti im Aargauer Kunsthaus zu sehen sind (27.1.24 bis 20.5.24). In Kooperation und Ko-Kuration mit SIK-ISEA hat das Aargauer Kunsthaus eine bislang einmalige Ausstellung kuratiert, die die ganze Bandbreite von Augusto Giacomettis Œuvre zeigt. In der Ausstellung «Augusto Giacometti. Freiheit | Auftrag» treffen Forschung und publikumsnahe, interaktive Vermittlung aufeinander. Mit 13 Werken (25 Einzelobjekte) ist die SKKG die grösste Leihgeberin der Ausstellung. Für das konservatorische Team der SKKG stellte die Handhabung einiger der Objekte eine besondere Herausforderung dar, die durch die Zusammenarbeit mit externen Expert:innen und das Vertrauen in bereichsübergreifende Teamarbeit erfolgreich gemeistert werden konnte.

Zu den Videos:

Farbkreis Augusto Giacometti

Augusto Giacometti, «Farbkreis» (um 1907) (Sammlung SKKG)

Giacometti

Augusto Giacometti, «Farbabstrakte» (Sammlung SKKG)

Besonders Kopfzerbrechen bereiteten dem Team Konservierung-Restaurierung Giacomettis Entwürfe in Originalgrösse für die Wandbilder «Narcissus und Echo» und «Arachne», die man in ihrer fertig ausgeführten Fassung an den Wänden der Eingangshalle vom Notariat, Grundbuch- und Konkursamt Zürich-Enge bestaunen kann. Um die nötigen Arbeiten für die Restaurierung und Montage dieser zwei grossformatigen Werke durchführen zu können, wurde das Know-how von Schreinern, externen Restauratorinnen und einer Schneiderin gebraucht. Die Grösse der Entwürfe, je ca. 3 x 4 Meter, erforderte den Bau eines Tisches mit den entsprechenden Massen. Die Schreiner vom Gebäudeservice der Terresta, die die Immobilien der SKKG verwaltet, haben diese Arbeit übernommen. Auf diesem Pult konnten die Skizzen von einer externen Restauratorin bearbeitet werden. Sie hat sich an einem Restaurierungskonzept orientiert, das eine Studentin der Hochschule der Künste Bern erstellt hat. Eine Mitarbeiterin aus dem Team Sammlungserschliessung, die auch gelernte Schneiderin ist, ergänzte den textilen Bildträger um weitere Stoffbahnen.

Mit weiterem Stoffmaterial versehen konnten die Entwürfe schliesslich auf einen speziell für dieses grosse Format konzipierten Spannrahmen aus Aluminium montiert werden, der mit Holz verkleidet war, damit der Stoff mit Heftklammern befestigt und aufgespannt werden konnte. Weil die SKKG kein eigenes Museum betreiben will, möchte sie eine umso aktivere, innovative und inspirierende Partnerin für andere Intuitionen und Museen sein. Im Zentrum der täglichen Arbeit steht daher, Neues und Nachhaltiges in Kooperation mit anderen zu lernen. Wie schön, wenn daraus ein Resultat entsteht, das allen Beteiligten Freude bereitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Die Ausstellung im Aarguer Kunsthaus läuft noch bis 20. Mai 2024.

Montage Augusto Giacometti Kunsthaus Aargau

Teamwork ist gefragt beim Handling von Werken mit einer Grösse von 3 auf 4 Meter.

Giacometti
Giacometti